Die Bauchmuskeln: Zeit für Klarheit

Beginnen wir damit, unter dem ästhetischen Gesichtspunkt über die Bauchmuskeln zu reden, und über die Erwartungen, die meine Kunden mir gegenüber am häufigsten äußern. Ich möchte einige Missverständnisse ausräumen, die unserem methodologischen Bewusstsein im Wege sind und uns in der Welt behindern, in der wir uns mit den anderen vergleichen. Das sichtbare Hervortreten eines Muskels im Körper hängt vornehmlich von zwei Faktoren ab:

  • von seiner Entwicklung;
  • von der Dicke der Fettschicht, die zwischen dem Muskel und der Dermis (Lederhaut) liegt.

Es gibt dann noch weitere Faktoren wie subkutane Wasseransammlungen, die Form des Muskels, seine Ansätze, sein Stoffwechsel, die Wasseransammlungen in der Muskelfaser, seine Durchblutung im Moment der Betrachtung, die ich an dieser Stelle aber alle außer Acht lassen werde.

Wenn ein Mensch gut sichtbar entwickelte Bauchmuskeln hat, ist das Wahrscheinlichste, dass er wenig Unterhautfett hat: Die Bauchmuskeln neigen nicht dazu, sich zu entwickeln, wie es dagegen bei den Muskeln der Oberschenkel, den Brustmuskeln oder den Armmuskeln der Fall ist. Es gibt natürlich aufsehenerregende Ausnahmen, und bei manchen Sportlern ist die gesamte Taille mit mehreren Zentimetern von Muskeln gepanzert. Die Bauchmuskeln gibt es, natürlich, bei beiden Geschlechtern. Bei der Frau sind sie weniger sichtbar aufgrund der geringeren Neigung, Muskelmasse aufzubauen, aufgrund der relativ höheren Menge an Unterhautfett (und das muss so sein) und aufgrund der höheren Neigung des weiblichen Geschlechts zur Anteversion des Beckens, wodurch der Bauch angespannt wird, der Rücken leicht ins Hohlkreuz geht und das Gesäß herausgestreckt wird, was der Figur dieses gewisse Etwas verleiht, das den Männern so sehr gefällt :) Wenn man dagegen bei einem Mann nicht die klassische Waschbrettform sieht, hängt das äußerst selten mit schwach entwickelten Muskeln zusammen und sehr viel häufiger mit der subkutanen Fettschicht, die die Formen versteckt. Tatsächlich kann eine Person sehr starke Bauchmuskeln haben, tonisch und gut entwickelt, die aber ganz einfach versteckt sind. Es wurde auch erwiesen, dass das Bauchfett nicht direkt auf Übergewicht hinweist (in sehr viel engerer Beziehung zu generellem Übergewicht stehen zum Beispiel die subkutanen Fettpolster an der Rückseite der Oberarme, auf dem Trizeps): Es kann also der Fall sein, dass die Bauchmuskeln einer Person, die generell nicht übergewichtig ist oder nur wenige hundert Gramm Fett hat, trotzdem verdeckt liegen. Ich werde nicht in die Debatte einsteigen, ob der gut sichtbarer Waschbrettbauch eines erwachsenen Mannes ihm beim Flirten zugute kommt. Als Personal Trainer achte ich vielmehr auf das allgemeine Erscheinungsbild der Person, auf ihre Körperhaltung und ihre Ausgeglichenheit als auf die einzelnen anatomischen Details, die für gewöhnlich genetischer Natur sind. Diese dürften lediglich professionelle Bodybuilder interessieren, denn dort kann eine einfache mehr oder weniger große Zugabe an Muskeln wichtige Beurteilungspunkte wert sein. Eine der Mythen, die sich am hartnäckigsten halten, ist die, dass man das subkutane Fett mit punktuellen Übungen wegschmelzen könne: Also: Ich habe ein wenig Fett auf den Bauchmuskeln; ich werde es los, indem ich Bauchmuskelübungen mache. Dem ist nicht so: Der Muskel kann sich nicht aussuchen, von woher er sich mit Energie versorgt. Es stimmt, dass der Anstieg der örtlichen Temperatur die metabolische Verfügbarkeit der Fette um ein wenig erleichtert, doch die Verteilung des Fettgewebes im Körper hängt von Faktoren ab, die nicht einfach zu verändern sind (zum Beispiel genetische Faktoren). Das bedeutet, selbst wenn es uns gelingen würde, hauptsächlich das subkutane Fett eines bestimmten Körperbereichs zu verwerten, würde das übrige Körperfett vom Stoffwechsel umbelegt und neu verteilt werden, auch in die Zonen, aus denen wir es geholt hatten. Ein örtliches Abnehmen ist also nicht möglich, zumindest solange man sich nicht einem chirurgischen Eingriff unterzieht, bei dem konkret eine bestimmte Anzahl von Fettzellen entfernt werden. Es wird nun also auch klar, dass die Anwendung von straffenden Cremes (die in der Regel Wärme erzeugen) die Fette nicht schmelzen kann: Der optische Trick, den diese Produkte zustande bringen, ist, dass sie die Blutzirkulation im Muskel erhöhen und ihn dadurch leicht (und zeitlich begrenzt) aufpumpen. Das hat zum Ergebnis, dass der Muskel, wenn man ihn schon vorher sehen oder erahnen konnte, deutlicher hervortritt. Doch ihr könnt sicher  sein, dass das subkutane Fett unverändert bleibt und dass bei einer Person mit ernstzunehmendem Übergewicht überhaupt kein Effekt zutage tritt: Überzeugt euch selbst. Der Aufpump-Effekt, falls sichtbar, hält letztlich nur einige Minuten an. Wir verstehen also gut, dass wir durch ein intensives Bauchmuskeltraining nicht generell den Taillenumfang reduzieren können, es sei denn:

  • wir nehmen am ganzen Körper ab (zum Beispiel, weil wir den ganzen Tag lang dabei sind, Bauchmuskelübungen zu machen, und also wie ein Ochse arbeiten… oder weil wir weniger essen). Auch deshalb, weil die Bauchmuskeln nur einen Teil der Taille ausmachen, die noch viele andere Muskeln und Bereiche mit einschließt;
  • wir vermindern die Protrusion (also das Vorspringen) des Bauches, was nicht vom tonischen Charakter der Bauchmuskeln im engeren Sinne abhängt (darauf kommen wir noch zurück).

Wahr ist stattdessen, dass, wenn das Training der Bauchmuskeln zu ihrer deutlichen Entwicklung führt, der Taillenumfang zunimmt, gerade weil die Muskelmasse wächst. In diesem Falle könnte das ästhetische Ergebnis auch interessant und positiv ausfallen. Und das bringt mich zu der Überlegung, dass viele (vor allem Frauen) zu sehr Waage und Kleidergröße zu Rate ziehen, um den Stand ihrer Fitness zu beurteilen, und zu wenig den Spiegel. Bleibt warm, im nächsten Post machen wir weiter ;)

ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker
Bild mit freundlicher Genehmigung von ironbody.it
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