Einmaleins der Muskelenergie – I

Jede Handlung im bekannten Universum erfordert (oder verbraucht) eine bestimmte Menge an Energie. Die lebenden Systeme machen da keine Ausnahme. Auch jede einzelne Zelle unseres Körpers benötigt Energie, um ihren Zustand beizubehalten, sich zu verändern, sich zu reparieren, ihre Aufgaben durchzuführen, sich gegen Eindringlinge zu verteidigen, mit den Nachbarn Zwiesprache zu halten oder sich zu vermehren. Schlussendlich, um zu existieren! Natürlich folgt die motorische Aktivität von Tier und Mensch (also die Muskelkontraktion) denselben Gesetzen. Die Muskelzellen (auch Muskelfasern genannt) sind Zellen, die darauf spezialisiert sind, ihre Länge zu ändern; es gelingt ihnen also, sich zusammenzuziehen und sich zu entspannen, oder vielmehr, sich zu verkürzen oder sich zu verlängern. Wenn die Fasern eines Muskels sich gemeinsam zusammenziehen, verursachen sie, dass sich der Muskel als Ganzes verkürzt, der auf diese Weise seine beiden Enden einander annähert. Und weil solche Enden gewöhnlich (und fest[1]) mit zwei verschiedenen Knochen verbunden sind, tut die Muskelkontraktion nichts anderes als die Bewegung der Teile des Skeletts und letztlich unseren Körper in Gang zu bringen. In anderen Worten, sie macht, dass wir uns bewegen; und auch diese Art der Aktivität erfordert Energie. Ein Muskel (der, damit wir uns richtig verstehen, die Substanz ist, die wir Fleisch nennen, wenn wir sie in der Form eines Steaks oder eines Hamburgers auf unserem Teller finden) besteht aus mehreren tausend Muskelfasern, die normalerweise parallel zueinander verlaufen. Lebende Systeme sind sehr, sehr komplex. Einige (chemische, elektromagnetische, physikalische) Mechanismen, die der Manifestation des Lebens zugrunde liegen, sind uns noch vollständig unbekannt und für eine beträchtliche Anzahl von Phänomenen greift man auf simplifizierende Modelle zurück, um die Dinge so weit zu vereinfachen, dass wir sie begreifen können, oder sogar auf interpretative Hypothesen. Wenn man wollte, könnte man eine ganze Enzyklopädie über die energetischen Mechanismen der Muskelzelle schreiben, und es würde sich zeigen, dass manche Mechanismen wirklich schwer zu beschreiben wären, wenn nicht sogar völlig rätselhaft in einigen ihrer Übergänge. Doch es gibt auch einfache Erklärungsmöglichkeiten, die das Wesentliche wiedergeben und es jedem, der gerade kein Biochemiker oder Arzt ist, ermöglichen, zu verstehen, wie die Dinge funktionieren. Folgt meinen Erklärungen, denn diese Diskurse werden uns äußerst hilfreich dabei sein, zu verstehen, wie der Körper funktioniert und vor allem zu verstehen, wie man ihn dazu bringen kann, besser zu funktionieren. Für die Kontraktion benutzt die Muskelzelle einen Kraftstoff, der aus einem Molekül mit dem etwas hochtrabenden Namen Adenosintriphosphat besteht. Der Name kommt daher, dass dieses Molekül aus einem Teil, der sich Adenosin nennt, und drei kleineren atomaren Gruppen auf der Grundlage von Phosphor zusammengesetzt ist. Für gewöhnlich kürzt man den Namen des Moleküls als ATP ab. ATP findet sich in jeder Zelle. Wenn sich eine Phosphorgruppe von einem ATP-Molekül ablöst und es in – habt ihr es erraten?! – Adenosindiphosphat oder auch ADP umwandelt (also ein Molekül mit nur zwei Phosphorgruppen), wird eine gewisse Menge an Energie frei, die für die Kontraktion – also die Verkürzung – der Muskelzelle und damit normalerweise des Muskels als Ganzes verwendet wird (eine Muskelfaser kontrahiert niemals alleine). Jede Muskelkontraktion verlangt die Umwandlung einiger ATP-Moleküle in ADP. Ein Muskel kann sich immer weiter zusammenziehen (oder eine Kontraktion beibehalten), solange ATP bereitsteht: Wenn das ATP vollständig in ADP umgewandelt worden ist, verkrampft sich der Muskel wie ein Motor, der sich festgefressen hat. Da wir uns normalerweise nicht… festfressen, auch wenn wir gewaltige Anstrengungen leisten, muss die Zelle wohl einen Weg gefunden haben, um sich von irgendwoher weiteres ATP zu beschaffen. Was wir beobachtet haben ist, dass die Zelle – stellt euch vor – das ADP wieder zu ATP auflädt, indem sie wieder ein Phosphorradikal anhängt, das sich vorher abgelöst hatte. Genial, nicht wahr? Natürlich können wir, die wir nicht erst gestern geboren sind, uns denken, dass zur Durchführung dieses Vorgangs notwendigerweise Energie aufgewandt wird: Es handelt sich um mehr oder weniger dieselbe Menge an Energie, die das ATP durch seine Umwandlung in ADP freigesetzt hatte (nach dem Motto: Es gibt nichts umsonst). Im Prinzip funktioniert das ATP-ADP-System gerade wie ein wiederaufladbarer Akku. Woher nimmt die Zelle die nötige Energie, um das ADP wieder aufzuladen? Nirgend anders her als aus einem anderen wiederaufladbaren Akku, der sich Kreatinphosphat oder KP oder auch CP nennt, und der eigentlich auf dieselbe Weise funktioniert: Ein Phosphorradikal löst sich vom Muttermolekül und setzt dabei Energie frei, die wiederum das ADP zum ATP auflädt. Es handelt sich praktisch um ein Puffersystem, um eine Art Reservetank. Auch das CP liegt in der Zelle gespeichert vor, normalerweise in dreifacher Menge im Verhältnis zum ATP. Es ist klar, dass sich auch das CP irgendwann erschöpft, und hier stehen wir nun, um eine Energiequelle ausfindig zu machen, um auch das CP wieder aufzuladen. Hier wird die Sache noch interessanter; für Details verweise ich euch auf den nächsten Artikel. Bleibt warm!


[1] wört.: solitamente (e solidamente)!Unübersetzbares Wortspiel, das mit der Übersetzung sein komisches Moment verliert; Anm. d. Übers.

Bildbezeichnungen auf Deutsch ergänzt und Übersetzung des Artikels ins Deutsche von Elisabeth Becker
Bild mit freundlicher Genehmigung von my-personaltrainer.it;
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2 Responses to Einmaleins der Muskelenergie – I

  1. Grazie a te Gabriella :)

  2. Gabriella Stazio says:

    Articolo bello, interessante, ironico e preciso al tempo stesso. Grazie!

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